Das Ausspielen eines Wilden Magiers ist mehr atmosphärisch als regelgebunden, da der Weg hier das Ziel ist. Er wird weniger auf sein "Recht", nämlich einen Zauberalmanach oder dergleichen, pochen können, und wird sich oft der Gewogenheit seiner Geister ausgeliefert fühlen. Daher wird das Ausspielen eines Wildmagiers eher erfahrenen Spielern empfohlen, die ein gutes Gefühl für ihren Charakter haben und kein grosses Problem damit haben, wenn einer ihrer Pläne mal fehlschlägt, und mal ein überraschendes Resultat erzielt, mit dem er nicht gerechnet hat. Wenn das erstmal etwas Unberechenbar für euch klingt, so sei euch im Folgenden erklärt, warum das so ist:
Im Gegensatz zur Gildenmagie, die sich rühmt, die Kräfte des Universums in Bahnen zu lenken und in Gesetzmässigkeiten zwingen zu können, repräsentiert die Wilde Magie genau das Gegenteil.
Sie wird stärker, wenn das Chaos um den Magiewirkenden herum regiert. Leyknoten und Linien sind wie Fesseln, die aufgesprengt und vernichtet werden müssen.
Wie schaffen Wildmagier es nun, überhaupt Magie zu wirken, wenn sie scheinbar keine Kontrolle über ihre Macht haben und dann am Stärksten sind, wenn die Welt um sie herum im Chaos versinkt? Nun, sie sind nicht allein.
Ob Schamanen, Druiden, Hexen, Gischtsänger, Sturmjäger, Drachenkinder, Gefallene Sterne, Dünenmeister oder Leerensammler - was auch immer sie für klingende Namen tragen mögen, sie alle haben mächtige Verbündete oder ergebene Diener, die ihnen ihre Kraft bereitwillig zur Verfügung stellen... solange sie bei Laune gehalten werden.
Der Wildmagier sollte seine täglichen Rituale einhalten, morgens vielleicht die aufgehende Sonne von einer Hügelspitze aus begrüssen, nach dem Mittagsmahl auch ein Schüsselchen Milch auf die nackte Erde versprengen, oder vielleicht dann und wann einen schwarzen Hahn opfern und definitiv die merkwürdigen Formen, die der Rauch seiner Pfeife annimmt, oder plötzliche Windstösse, Wolkenformationen, Flüstern im Unterholz, oder ein zorniges Gesicht im Blutmond immer ernst nehmen. Denn die Geister bedienen sich wunderbarer Methoden, wenn sie etwas mitzuteilen haben, und nichts erzürnt sie mehr als Ignoranz.
Ein Wildmagier muss sich früh entscheiden, ob er Herr und Gebieter oder geliebter Gefährte derjenigen Geister sein will, die sich bereits früh in seiner Kindheit das erste Mal bei ihm melden. Hat er sich einmal für den Weg der Dominanz oder den Weg der Harmonie entschieden, so hat er auch entschieden, auf welche Art und Weise er zaubert. Die Naturgeister, die sich ab sofort um in scharen, sind entweder voller Liebe oder voller Gehorsamkeit, und werden sich vor den Kopf gestossen fühlen, wenn der Magier seine Umgangsweise mit ihnen später ändert.
In der Nähe eines Leyknotens kann keine Wilde Magie gewirkt werden. Auch von einer Leylinie halten sich die Geister im Normalfall fern, bestenfalls wird der gewünschte Zauber in sehr abgeschwächter Form gewirkt. Es wird also immer das Bestreben eines Wildmagiers sein, einen Leyknoten zu vernichten.
Wildmagier können immer nur einen Zauber auf einmal wirken oder aufrecht erhalten. Versuchen sie, den Geistern einen zweiten oder gar dritten Befehl zur gleichen Zeit zu geben, verwirrt man sie damit bis hin zum völligen Fehlschlag des Zauber, der die Geister auch ausgesprochen zornig machen kann.
Der Wildmagier kombiniert beim Zaubern immer eine Methode mit einem ihm bekannten Manifestation oder befreundeten Ungebändigten Element. Die Basis-Methoden seines gewählten Pfads hat der Wildmagier alle sofort zur Verfügung, zu Beginn beherrscht er aber nur eine Manifestation und ein Element. Weitere Manifestationen lernt der Wildmagier durch Ereignisse, manchmal als Belohnung, wenn ihnen ihre befreundeten Geister eine Aufgabe stellen, oder von einem willigen Lehrmeister. Das Erlernen eines weiteren Elements ist sehr schwierig und nur möglich, wenn man die Geister des Elements gezielt und über einen längeren Zeitraum umgarnt... ohne die eigenen Geister dabei zu vergraulen.
Da man seine verbündeten Geisterwesen im Normalfall nur getrennt voneinander anruft, und sie sich daher nie begegnen werden, ist auch ein Erde-Sturm-Druide oder ein Feuer-Wasser-Schamane, sogar eine Licht-Schatten-Hexe regeltechnisch durchaus denkbar, solange der Spieler sich auch zutraut, diese extreme Dualität im Alltag auch glaubhaft ausspielen zu können.
Eine Beherrschung beider Pfade ist aber nicht möglich.
Methoden: Zerstören (Destroy) - Verändern (Modify) - Bewegen (Move) - Blockieren (Block) - Fesseln (Bind) - Befehlen (Command) - Blenden (Blind) - Nehmen (Take)
Methoden: Herstellen (Create) - Bewahren (Save) - Fixieren (Freeze) - Öffnen (Open) - Befreien (Release) - Kommunizieren (Communicate) - Sehen (See) - Geben (Give)
Hierbei handelt es sich um Teilbereiche oder Kombinationen von unterschiedlichen Essenzen von Rohelementen in der realen Welt, die durch Anwendung von Wilder Magie widerstandslos beeinflusst werden können. "Widerstandslos" bedeutet, dass der Anwendung von Wilder Magie keine Magieresistenz entgegengehalten werden kann. Die Anwendung Wilder Magie in der zivilisierten Welt ist daher verboten und wird hart bestraft. Die Hermetische oder Gildenmagie arbeitet seit vielen Jahrhundertern daran, die Wilde Magie auszurotten.
Die Manifestationen sollten abstrahiert betrachtet werden und fantasievolle Kombinationen sind erwünscht. Die Erklärung, welche Eigenschaften seiner Geister der Wildmagier nutzen möchte, um sein Ziel zu erreichen, kann ruhig etwas absonderlich ausfallen. Solange sie irgendwie Sinn ergibt, sollte man ein erfolgreiches Ergebnis ruhig in Erwägung ziehen, denn die Kommunikation mit den Geistern ist auch nie wirklich eindeutig und anfällig für Missinterpretationen.
Manifestationen: Körper, Geist, Präzision, Gewandtheit, Charisma, Glück, Lebenskraft, Willenskraft, Gefühl, Gedanke, Magie, Objekt, Humanoid, Tier, Pflanze, Form, Farbe, Abbild, Ton, Sinne (Hören, Sehen, Schmecken, Tasten, Riechen spezifiziert), Wetter, Bewegung
Anstatt einer Manifestation kann auch einfach das Rohelement mit einer Methode kombiniert werden. Das gewünschte Ergebnis muss dann aber eindeutig und unmissverständlich formuliert werden, um den Geistern nicht zuviel Handlungsspielraum zu lassen. Wenn das Ergebnis in Punkten wichtig ist, dann hält man sich dabei an die Faustregel, dass die Stärke des Wilden Zaubers von eingesetzter Willenskraft plus Bezugsattribut (PR für Feuer, CH für Schatten usw.) plus Würfelwurf beeinflusst wird, und verstärkt wird um den Einfluss des aktuellen Elementtags (verdoppelt bei selbem Element, halbiert bei Feindelement, Rest neutral). Vergisst der Wildmagier einige Zeit, seine Geister bei Laune zu halten, so kann das negative Auswirkungen auf den Zaubererfolg haben.
Die Essenzen wilder Elemente sind nicht überraschend: Licht, Feuer, Erde, Schatten, Wasser, Luft
Selten verwenden Wildmagier Artefakte wie Zauberstäbe oder Kristallkugeln. Das ist Firlefanz, den die Gildenmagier aus der Stadt für Ihresgleichen anfertigen. Wildmagier mögen keine Artefakte, und sind im Normalfall auch nicht in der Lage, sie zu verwenden.
Aber es gibt wohl keinen Wildmagier auf Nandoras, der nicht früher oder später in seinem Leben einen Fetisch anfertigt. Dieses Gebinde aus Federn und Knöcheln um den Oberarm, den Unterschenkel, am Gürtel getragen oder als bestickter Lederbeutel um den Hals bedeutet dem Besitzer viel. Denn der Fetisch drückt nicht nur aus, wer er ist, sondern stellt oft auch eine Art Behausung für seine treusten Lieblingsgeister dar.
Dem Wildmagier seinen Fetisch zu stehlen ist mit die dümmste Idee, die ein Dieb haben kann. Nicht viel klüger ist es, einem Leichnam seinen Fetisch vom Körper zu reissen, denn seine Geister können noch lange nach seinem Tod in dem Schmuckstück wohnen und grosses Unheil anrichten wenn sie wütend werden.
In einem Fetisch sammelt der Wildmagier über die Zeit Repräsentationen für die Manifestationen, die er bereits gelernt hat. Ein Katzenzahn für die Manifestation Gewandtheit, ein getrocknetes Kraut für Pflanze, ein kleiner Aquamarin für Gefühl, und so weiter. Und solange er den Fetisch an seinem Körper trägt, braucht er sich nicht mit Ritualen, Zaubersprüchen oder Gesten aufhalten, um seine Zauber zu wirken. Bevor der Wildmagier eine neue Manifestation lernt, sollte er seinem Fetisch also auch einen kleinen Gegenstand hinzufügen, der für ihn ein Symbol für diese Manifestation sein wird, und die entsprechenden Geister auch anlocken soll.
Es gibt keine Schulen im klassischen Sinn für Wildmagier. Es gibt einige berühmte Familien, die ihr Wissen innerhalb der eigenen Blutlinie über die Jahrhunderte weitergeben, aber normalerweise hat ein magiebegabtes Kind nicht das Glück, direkt in die richtige Familie geboren zu werden. Die Eltern eines solchen Sprösslings merken irgendwann in den ersten Lebensjahren, dass etwas nicht in Ordnung ist, und sobald der Verdacht aufkeimt, dass es sich um ein magiebegabtes Kind handeln könnte, sorgt die Gerüchteküche dafür, dass man von den Druiden, Hexen und Schamanen im Umkreis erfährt. Oft bringen die Eltern ihr Kind sogar lieber zu einem solchen Einsiedler im Nachbardorf oder -clan, als dass sie es den Kinderfängern überlassen.
Nicht selten wird der Meister während seiner Reisen selbst auf ein solches Kind aufmerksam, oder die Geister sprechen sogar zu ihm und drängen ihn, es abzuholen. Wenn Wölfe mitten in der Nacht durch das Fenster einer humanoiden Behausung springen und ein Kind mitsamt dem Körbchen rauben, so muss es nicht immer sein, dass sie einfach nur hungrig waren. Oft wurden sie geschickt, weil der zurückgezogene druidische Meister nicht selbst in Erscheinung treten wollte.
Die Wege können also verschlungen sein, aber im Augenblick finden wildmagische Schüler und Meister noch immer gut zueinander, und es droht keine Gefahr, dass die chaotische Form der Magieausübung demnächst aussterben wird.